Carl-Oskar Jonsson
Direct
16.10 – 30.10.2022

Something unexpected has happened

“Something unexpected happened, something we have not had any experience with in the museum [...] before: the exhibition of an interesting artist had to be cancelled. This presented us with new questions, replacements had to be found at short notice.” This is how the exhibition Replacements was introduced, which took place in 2019 with Chantal Kaufmann in the Swiss town of Kriens, in the Kanton of Lucerne. At that time, the exhibition was canceled on short notice by the invited “interesting” sculptor, and acquaintances and friends of his were proposed as a replacement. As one can easily imagine, this was not a pleasant starting situation for those now invited. But who can afford to cancel a museum exhibition, especially since the years of training as an artist to deal with unexpected circumstances produces improvisation professionals. The title Replacements was a selfironic identification with the facts and was taken to extremes with a group photo, at the entrance to the village.

A replacement also had to be found for the exhibition here at OxfordBerlin. The work that was originally to be shown was one of several metal signs with which Carl-Oskar has been working for some time. While repairing a small scratch the sign was destroyed. But instead of changing the original idea, the destruction was incorporated into the exhibition concept.

At a previous exhibition participation in Leipzig, Carl-Oskar wrote a text presented on a window about an exhibition visitor reflecting on a text hanging on the wall in front of her. Writing is an integral part of his artistic practice, not in the form of scripts or screenplays, but as stories that refer to the site and at the same time are a reflection on the practice of showing.

The framed charcoal drawing seen here can be read similarly. An envelope containing something we cannot see or read, but which seems to be so explosive that it provoked such a martial gesture, of piercing with a knife, to attach it. The image seems more like a shot from an adventure cartoon. However, the action that took place before and after it is omitted and it is the gesture itself that remains.

Even the drawing material (charred wood/ charcoal) to the motif itself is inscribed decay, as well as the freely accessible and unprotected place of the announcement board, which exposes the work to both the weather and passers-by. It is a reflection of the exhibition itself.

Attached to our e-mail invitation was a photo of the actor Christoph Waltz in rear view, which the artist took during a spontaneous encounter in Tiergarten. Out of a reflex to elicit a comment from the actor, he threw his headphones on the floor in front of him. Although without the desired reaction, Carl-Oskar was still euphoric and in good spirits from this encounter a week later.

Without wanting to relativize the often extremely problematic and precarious conditions in the art field, it is sometimes not the things planned long in advance that are the most interesting, but the spontaneous ones that happen out of the situation. And even there the reactions are different, a week of good humor sounds nicer to me than a “sorry, you dropped something”, from a well-known actor.

translation by Philipp Farra

Etwas Unerwartetes ist passiert

„Etwas Unerwartetes ist passiert, etwas, mit dem wir im Museum […] bisher keine Erfahrung gemacht haben: – die Ausstellung eines interessanten Künstlers musste abgesagt werden. Das hat uns vor neue Fragen gestellt, es musste kurzfristig Ersatz gefunden werden.“ So wird die Ausstellung Replacements eingeleitet, die 2019 mit Chantal Kaufmann im Schweizer Kriens im Kanton Luzern stattfand. Damals wurde die Ausstellung kurzfristig von dem ursprünglich eingeladenen, „interessanten“ Bildhauer abgesagt und stattdessen Bekannte und Freunde dessen als Ersatz vorgeschlagen. Wie man sich unschwer vorstellen kann, war dies keine angenehme Ausgangssituation für die nun Eingeladenen. Aber wer kann es sich schon leisten eine Museumsausstellung abzusagen, zumal das jahrelange Training als Künstler:in, mit unerwarteten Begebenheiten umzugehen, Improvisierungsprofis produziert. Der Titel Replacements war eine selbstironische Identifikation mit den Tatsachen und wurde in einem Gruppenfoto am Ortseingang auf die Spitze getrieben.

Auch für die Ausstellung hier bei OxfordBerlin musste ein Ersatz gefunden werden. Die Arbeit, die ursprünglich gezeigt werden sollte, war eines von mehreren Metallschildern, mit welchen der Künstler Carl-Oskar Jonsson seit einiger Zeit arbeitet. Beim Ausbessern eines kleinen Kratzers wurde das Schild zerstört. Aber anstatt von der ursprünglichen Idee abzukommen, wurde dies kurzerhand mit ins Ausstellungskonzept eingebunden.

Bei einer früheren Ausstellungsbeteiligung in Leipzig schrieb Carl-Oskar beispielsweise einen Text, der auf einer Fensterscheibe präsentiert wurde und von einer Ausstellungsbesucherin handelte, die über einen Text reflektierte, der vor ihr an der Wand hing. Das Schreiben ist ein fester Bestandteil seiner künstlerischen Praxis, aber nicht in Form von Skripten oder Drehbüchern, sondern als Geschichten, die sich immer auch auf den Ort beziehen und die gleichzeitig ein Nachdenken über die Praxis des Zeigens sind.

Die gerahmte Kohlezeichnung, die hier zu sehen ist, kann ähnlich gelesen werden: Ein Umschlag , der etwas beinhaltet, was wir nicht sehen oder lesen können, der jedoch so brisant zu sein scheint, dass er eine solch martialische Geste des Durchbohrens mit einem Messer provozierte, um ihn zu befestigen. Das Bild wirkt eher wie eine Einstellung aus einem Abenteuer-Cartoon. Die Handlung, die sich davor und danach abspielte, wird jedoch ausgelassen – es ist nur die Geste selbst, die bleibt.

Auch dem Zeichenmaterial des verkohlten Holzes sowie dem Motiv selbst sind der Verfall eingeschrieben. Durch dessen Präsentation am frei zugänglichen und ungeschützten Ort des schwarzen Brettes wird die Arbeit sowohl dem Wetter als auch dem/der Passant:in ausgesetzt. Hier wird über das Ausstellen selbst nachgedacht.

Unserer E-Mail-Aussendung war ein Foto des Schauspielers Christoph Waltz in Rückansicht angehängt, das der Künstler bei einer zufälligen Begegnung im Tiergarten aufnahm. Aus einem Reflex heraus, dem Schauspieler einen Kommentar zu entlocken, warf er seine Kopfhörer vor ihm auf den Boden. Leider blieb die gewünschte Reaktion aus, dafür war Carl-Oskar noch eine Woche später euphorisiert und guter Laune von diesem Zusammentreffen.

Ohne die häufig äußerst problematischen und prekären Verhältnisse im Kunstfeld relativieren zu wollen, sind es manchmal doch nicht die von langer Hand geplanten Dinge, die am interessantesten sind, sondern die spontanen, die aus solchen Situationen entstehen. Und selbst dann sind die Reaktionen andere – eine Woche gute Laune klingt für mich schöner als ein „Entschuldigung, Sie haben etwas fallen lassen“ von einem bekannten Schauspieler.

Samuel Bich